Liebe Freundinnen und Freunde,
das Bild zu diesem Beitrag ist ein Blick auf einen Teil meines Schreibtisches, den kreative Unordnung beherrscht. Zuoberst habe ich mein gerade erhaltenes monumentales Werk über Recht, Kultur und Leben in Venedig gelegt. Offen sind zwei Standardwerke über das private Leben in der Renaissance, die ausgedruckte Tabelle dahinter ist der allererste Szenenplan meines neuen Romans „Die Sternwarte des Dogen“. Er spielt in Venedig gegen Ende des 17. Jahrhunderts, voraussichtlich 1689. Warum in diesem Zeitraum? Ich lasse Leibniz und Newton darin dem Dogen von Venedig helfen, eine Sternwarte zu bauen, die höher, moderner, größer als die des Papstes sein soll. Der Papst hat tatsächlich in Castel Gandolfo eine Sternwarte bauen lassen (im 16. Jh, die besteht heute noch), der Doge in Venedig nie. Aber das ist eben dichterische Freiheit, die ich mir nehme. Leibniz war übrigens zu der Zeit tatsächlich in Venedig, Newton nie.
Ich habe hier im Blog schon über das Grundthema „Schreiben eines historischen Romans“ geschrieben. Aber jetzt bin ich mittendrin, denn die zweite Fortsetzung von „Gegen die Gier“ ist im Entwurf fertig. Die erste „Kopfsturm“ ruht bis September, wenn ich noch einmal mit dem Verleger spreche, ob er ihn angesichts hoffentlich verbesserter Rahmenbedingungen des Buchmarktes herausbringen will. Die zweite Fortsetzung „Ein Tropfen Angst“ (vorher „Der Tod lauert“) lagert zwischen und harrt der endgültigen Überprüfung durch meine Literaturagentur. Und so habe ich mit der Sternwarte angefangen. Zuallererst braucht es natürlich einen spannenden Plot: Ich will meinen Lesern keine historische Dokumentation eines fiktiven Ereignissen liefern, sondern spannendes Geschehen im historischen Kontext. Meine Frau nennt es nur „Mord und Totschlag“. Das ist natürlich schrecklich verkürzt und trifft die „Sternwarte des Dogen“ nur oberflächlich. Vielmehr folgen wir dem Schicksal eines Einzelnen, einem Baumeister, der im Grund nur ein friedliches Leben führen will und ungewollt zwischen die knallharten Fronten des Dogen und des Vatikans gerät. Diese Fronten waren starr und konsequent grausam, heute würde man es „interessenorientiert“ nennen.
Der Plot ist im Entwurf da. Danach beginnt die Detailarbeit, weil sich eben nichts aus lockerer Hand schreiben und beschreiben lässt. Reden, reisen, arbeiten, kommunizieren, sich kleiden, essen, wohnen, feiern … – um nur ein paar Bereiche zu nennen, fanden zeitgemäß statt. Ein Beispiel für die Schwierigkeiten: Meine Eingangsszene soll in einer Taverne spielen. Wie ist sie eingerichtet? Beleuchtet? Was isst und trinkt man aus welchem Geschirr? Wie sind die Menschen angezogen? Wo liegt die Taverne in Venedig? Wie bezahlt man und womit? Welche Menschen treffen sich dort um welche Zeit? All das lässt sich nicht aus dem Handgelenk schütteln. Ich habe im ersten Ansatz das Internet bemüht und alle möglichen Beschreibungen Venedigs gesammelt, zum Teil sehr detaillierte gefunden. Dann habe ich vorhandene Literatur gesichtet, ein bisschen was passendes hat mein Studium gebracht. Die und ein paar Romane, die in Venedig spielen, habe ich nach Stellen durchforstet, die die Gegebenheiten beschreiben (Bauen, Wohnen, Kleiden, Maße und Gewichte, Transport und Kommunikation usw.). Ich habe eine ganze Menge gefunden und auf diese Weise drei Liebesromane gelesen, was ich normalerweise nicht tun würde.
Tja und dann bin auf diesen 928-Seiten-Schmöker über Venedig gestoßen, den ich antiquarisch erstehen konnte. Den lese ich jetzt durch und notiere/markiere jeden Hinweis von Belang; denn die Handlung habe ich durch meinen Szenenplan, den ich mit der Schneeflockenmethode erstellt (siehe Blog-Beitrag dazu) ja grob und noch flexibel im Kopf. Ich weiß also, wann ich welches Detail voraussichtlich benötige. Historische Romane finden ihr Publikum neben der Story hauptsächlich durch die Detailgenauigkeit. Da möchte ich möglichst wenige Fehler machen, am besten keine.
So sieht meine Arbeit in der Sternwarte derzeit aus.
Das heißt nicht, dass ich sie nicht unterbreche, wenn sich bei den anderen Baustellen Notwendigkeiten ergeben.
Zusammengefasst: Ich komme mir vor wie bei meiner Masterarbeit im Studium.
Ich wünsche euch einen schönen Tag
Herzlich
euer Anton